Vampires Dawn – Reign of Blood | Die Vampirromanze aus Deutschland – Indie Zeitkapsel #1

Den ersten Beitrag unserer Indie-Zeitkapsel-Reihe möchte ich einem Spiel widmen, das heute nur noch wenige kennen, das mir aber persönlich sehr am Herzen liegt, da es sowohl meine Liebe zu Rollenspielen als auch zu den RPG-Makern vertieft hat. Dass das Spiel Vampires Dawn von Alexander Koch aus Deutschland stammt, war damals natürlich ein Bonus, da ich zu jener Zeit im zarten alter von 10 Jahren natürlich noch kein Englisch konnte.

Außerdem war das Spiel kostenlos und anscheinend so bekannt, dass es in diversen Videospielmagazinen auf Sammeldiscs vertreten war. Man es also fast als den Vorreiter der modernen Indiespiele bezeichnen, der den Weg dafür geebnet hat, dass auch Einzelentwickler von den Mainstreammedien wahrgenommen wurden.

Was diesen Titel so besonders macht und warum er auch heute, 22 Jahre nach seinem Erscheinen, immer noch eine Spielrunde wert ist, möchte ich in diesem Artikel näher beleuchten.

Vampires Dawn – Story und Charaktere

Die Geschichte von Vampires Dawn dreht sich natürlich um Vampire, aber man taucht nicht einfach in die düstere Fantasywelt voller Vampire und magischer Wesen ein, sondern findet die Handlung eingebettet in den Rahmen einer Gutenachtgeschichte.

Dadurch wird dem Spieler sofort signalisiert, dass es sich bei der Handlung um eine Fiktion innerhalb der Fiktion handelt, weshalb logische Lücken im Narrativ erklärbar und erträglich werden. Der gute alte Großvater kann eben auch mal einen Fehler machen, nicht wahr?

Das eigentliche Spiel spielt dann etwa 400 Jahre nach dem sogenannten Heiligen Kreuzzug, der, so wird es überliefert, alle Vampire ausgerottet hat. Lange Zeit nach diesem Ereignis begrüßen uns nun also unsere beiden Hauptfiguren: Aysha und Valnar Darnus, ein frisch verliebtes und ganz normales Ehepaar.

Die beiden könnten zumindest ein ganz normales Paar sein, das zusammenlebt und liebt, wären da nicht die Alpträume, die den guten Valnar Nacht für Nacht plagen. Eigentlich ist es nur ein einziger Alptraum, ein sich wiederholender Alptraum, ein Alptraum, in dem er von einem Vampir getötet wird.

Eines Tages hat unser Protagonist genug und sucht Rat bei einem Arzt, der ihm leider nicht wirklich helfen kann und ihn mit dem Rat sich mal ordentlich auszuschlafen nach Hause schickt. Also kehrt der gute Valnar frustriert nach Hause zurück, nur um festzustellen, dass seine geliebte Aysha verschwunden ist und ihm eine mysteriöse Blutspur den Weg in ein unvorstellbares Abenteuer weist.

Es klingt alles wie das Setup einer Geschichte in welcher der Held, die arme, entführte Jungfrau retten muss, doch weit gefehlt. Denn Aysha ist keineswegs eine liebevolle, zerbrechliche und gutmütige Ehefrau, wie Valnar glaubt, sondern ein kaltherziger und berechnender Vampir, der Valnar nur für seine Zwecke ausgenutzt hat. Bei einem Rettungsversuch kommt eines zum anderen und Valnar wird selbst von Asgar Serran in einen Vampir verwandelt.

Dieser ist ein seit 400 Jahren umherziehender Vampir, der regelmäßig seine Liebe Alaine Frynia in der Psychiatrie besucht. Die Schicksale all dieser Figuren verweben sich zu einer Geschichte mit spannenden Momenten, tragischen Dramen und lustigen Passagen, die bis zum Ende des 15- bis 20-stündigen Abenteuers fesselt.

Es ist eine Geschichte, die zum Nachspielen einlädt, aus einer Zeit, in der Vampire noch blutig, brutal und böse waren. Als sie noch nicht im Sonnenlicht glänzten, sondern elendig verbrannten.

Eine Geschichte, die mit dem zweiten Teil Vampires Dawn Ancient Blood und dem kürzlich erschienenen Teil Vampires Dawn – The Crimson Realm fortgesetzt wurde. Eine Geschichte, die so gut ist, dass sie als Taschenbuch bei Amazon erhältlich ist und viele zufriedene Leser hinterlässt.

Es mag seltsam klingen, dass man die Handlung eines 22 Jahre alten Spiels nicht vorwegnehmen möchte, aber man muss die Geschichte einfach selbst erlebt haben. Eine Nacherzählung dieses Epos würde dem Original nicht gerecht werden.

Vampires Dawn – Features und Besonderheiten

Optisch bediente sich Vampires Dawn hauptsächlich der Standard-Assets des RPG-Maker 2000 und leicht abgewandelter Versionen davon, was aber kein Hindernis darstellte, um den Spieler in die Welt der Vampire eintauchen zu lassen.

So konnte man mit den NPCs sprechen, aber auch entscheiden, ihnen das Blut auszusaugen oder sie sogar zu töten. Viele Entscheidungsmöglichkeiten und mehrere Enden sorgten dafür, dass sich die Erzählung nicht linear, sondern weitgehend frei gestaltbar anfühlte.

Obwohl die Handlung weitgehend linear verlief, vermittelten viele Freiheiten beim Durchstreifen der Welt das Gefühl, Herr des eigenen Schicksals zu sein.

Am Kampfsystem von Vampires Dawn hat der Entwickler allerdings nicht viel verändert. Es war Standard-RPG-Kost. Eine Frontansicht in einem runden- und menübasierten Kampfbildschirm mit den üblichen Statuseffekten gab es in diesem Titel zu bestaunen.

Wer Vampires Dawn spielte, spielte es entweder wegen des Freiheitsgefühls, der guten Story oder der Erkundungsfreiheit, aber nicht wegen des Gameplays selbst. Denn dieses war bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung altbacken.

Damals hat man das akzeptiert, weil es kostenlos war und ein frühes Projekt in einer leicht zugänglichen Engine. Das große Argument für diesen Titel jedoch, ist und bleibt alles Um das Kampfsystem herum. Seien es die mit viel Charme in Paint gezeichneten Bilder, die amateurhaft, aber ansprechend modifizierten Sprites und Portraits oder die einfach gestaltete, aber zusammenhängend und echt wirkende Welt.

Es klingt wie eine Kritik, ist aber das größte Lob, das man einem Entwickler aussprechen kann, wenn man sagt, dass die Amateurhaftigkeit, mit der das Spiel gemacht wurde, einerseits der Kit ist, der es zusammenhält, andererseits aber auch der Grund, warum es so beliebt ist.

Vampires Dawn – Das Emotionale

Was den Titel zu einem so beliebten Spiel gemacht hat, ist eigentlich schwer zu sagen. Die Fangemeinde von Vampires Dawn war groß und das Spiel erregte so viel Aufmerksamkeit, dass es sogar in der Fernsehsendung Giga-Games vorgestellt wurde.

Meiner Meinung nach waren es vor allem zwei Faktoren, die Vampires Dawn zu dem Phänomen gemacht haben, das es heute ist.

Der erste entscheidende Faktor ist die kostenlose Verfügbarkeit des Titels. Jeder, der von dem Spiel gehört hatte, konnte es kostenlos aus dem Internet herunterladen. Dass dies ein großer Pull-Faktor ist, beweisen auch moderne Free-to-Play-Titel immer wieder, indem sie Millionen von Installationen generieren.

Nun war das Jahr 2001 eine Zeit, in der noch nicht jeder Haushalt mit Internet, geschweige denn mit Breitbandinternet ausgestattet war, weshalb die in Spielezeitschriften auf CD-Roms verbreiteten Spielesammlungen einen wichtigen Faktor für die Verfügbarkeit von kostenlosen Spielen darstellten.

700 Spiele auf einer Disc und Vampires Dawn ist dabei. Eine Perle in einem großen Haufen von Free-to-Play und Shareware-Mist, die scheinbar nichts weiter zu bieten hatte als eine gute Story und erfrischendes Gameplay, sich aber schnell als ein Favorit der Spieler entpuppte.

Natürlich sprach es sich schnell herum, dass dieser Titel es wert war, den kostbaren Platz auf der Festplatte zu opfern und es dauerte nicht lange, bis die ersten Kopien auf den Schulhöfen die Runde machten.

Diese freie Verfügbarkeit, zusammen mit der legalen Möglichkeit, den Titel zu vervielfältigen und an Freunde weiterzugeben, führte dazu, dass viele Kinder der 90er und 2000er Jahre Vampires Dawn spielten und vielleicht sogar lieben lernten.

Der zweite wichtige Faktor ist, dass Vampires Dawn mit dem RPG-Maker 2000 erstellt wurde. Eine Spiele-Engine, die zu dieser Zeit auf legalen und illegalen Wegen ihren Weg in sehr viele Haushalte gefunden hatte.

Der RPG-Maker 2000 war im Vergleich zu seinen Vorgängern und den verfügbaren Engines so einfach zu bedienen, dass es plötzlich auch Teenagern ohne besondere Kenntnisse der Informatik möglich war, ein Spiel zu programmieren. Wahrscheinlich hat jeder Zweite in dieser Zeit mit dem Maker hantiert und viele abgebrochene Projekte auf alten Datenträgern hinterlassen.

Vampires Dawn wurde nun zu einer Art Benchmark und Leuchtturm für die Maker-Community in Deutschland, die von Amateur-Titeln überschwemmt wurde. Endlich hatte man einen Titel, an dem man zeigen konnte, dass man mit den Assets und Möglichkeiten, die die Engine bot, etwas Gutes, wenn nicht sogar Besonderes geschaffen werden konnte. Ein Titel, der zwar in der Zeit hängengeblieben, aber dennoch vorzeigbar war.

Und so wurde eine ganze Generation inspiriert, es Alexander Koch gleichzutun und einen Titel zu entwickeln, der für sich selbst stehen konnte, der etwas Besonderes war, ohne dass man eine großartige Grafik, einen betörenden Soundtrack oder besondere Programmierkenntnisse benötigte.

Um es kurz zu machen: Vampires Dawn – Reign of Blood fühlte sich wie ein Spiel, entwickelt von dir und mir an und wurde dementsprechend gut angenommen. Viele Faktoren kamen zusammen, aber das Ergebnis ist, dass Vampires Dawn auch heute noch, mehr als 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung, einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen einnimmt.

Wenn auch ihr Vampires Dawn und seine Nachfolger spielen wollt, dann schaut doch mal auf der Seite der Entwickler vorbei. Dort findet ihr völlig kostenlos aktualisierte Versionen des alten Schinkens, die auch auf der Originalhardware laufen.

Außerdem wurden viele Bugs behoben und Rechtschreibfehler korrigiert. Es lohnt sich also auch im Jahre 2024 noch Vampires Dawn eine Chance zu geben.

Lasst mich in den Kommentaren wissen, ob ihr dem Spiel eine Chance geben wollt, oder ob ihr keine Lust auf brutale Vampire habt. Der Dritte Teil der Reihe ist übrigens auf Steam verfügbar und falls ihr noch ein wenig Guthaben braucht findet ihr HIER* bestimmt ein gutes Angebot. Oder wollt ihr lieber etwas moderneres Spielen? Dann ist vielleicht Adore ein Spiel für euch.