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Dystopien sind ein beliebtes literarisches Genre, welches historisch dazu diente, gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen und mit meist übertriebenen Zukunftsvisionen vor deren Folgen zu warnen. End of Lines von Nova-box ist eine solche Dystopie, die den Klimawandel in den Mittelpunkt stellt und damit ein gesellschaftlich hochbrisantes Thema aufgreift. Dass der Titel also polarisiert, lässt sich bereits im Vorfeld erahnen, doch ob ihm die Darstellung der Dystopie gelingt oder ob er selbst ein Missstand ist, auf den wir aufmerksam machen, erfahrt ihr hier im Test.
Entwicklerstudio: Nova-box
Publisher: Nova-box
Platformen: PC
Releasedatum: 25.05.2023
Metacritic Userscore : n.A / 10
Grafik
Betrachtet man sich End of Lines, so stellt man fest, dass es sich hier um eine Visual Novel handelt, in welcher man von handgezeichneten Bildern durch eine Geschichte geführt wird. Zusätzliche optische Elemente wie eine Weltkarte oder Charaktermodelle existieren nicht. Zusätzliche visuelle Elemente wie eine Weltkarte oder Charaktermodelle gibt es nicht.
Die Zeichnungen selbst sind sehr aussagekräftig, sofern man sich mit dem doch sehr eigenwilligen Stil anfreunden kann, der am ehesten mit digitalen Aquarellen zu vergleichen ist, aber auch an klassische Ölgemälde erinnert. Für die Handlung relevante Gegenstände, Personen und Orte sind stets illustriert und unterstützen die Vorstellungskraft des Spielers.
So kommt es nur selten vor, dass man in eine Situation gerät, in der man nicht genau weiß, wie man sich das Beschriebene vorstellen soll. Der Zeichenstil lässt aber auch immer genug Raum, um selbst gedanklich Details hinzuzufügen, was eine gute Basis für eine integrative Art der Erzählung darstellt.
Auch die Farbgebung spielt hier eine besondere Rolle. Aufgrund der Handlung und des Settings von End of Lines dominieren Gelb-, Rot- und Brauntöne den Bildschirm, was es besonders spannend und erfreulich macht, plötzlich grüne oder blaue Elemente auf dem Bildschirm wiederzufinden, was die Identifikation mit den Charakteren in der Handlung erleichtert, da auch diese sich freuen, mal etwas anderes als triste Brauntöne zu sehen.
Außerdem sind wichtige Personen, die wir im Laufe der Handlung kennenlernen und durch fein gestaltete Charakterportraits näher betrachten dürfen, eindeutig farblich codiert, so dass selten unklar bleibt, welche Person in einer Illustration zu sehen ist, oder von wem gerade die Rede ist.
Ich persönlich konnte mit dem Stil von End of Lines nicht viel anfangen. Die Illustrationen wirkten zwar geradlinig, aber für meinen Geschmack zu schwammig, was man dem Spiel aber kaum vorwerfen kann. Individuelles Empfinden ist nun mal verschieden und mich hat der Grafikstil absolut nicht vom Hocker gerissen.
Insgesamt kann ich als einzigen objektiven Kritikpunkt anführen, dass sich die Charaktere nicht nur farblich, sondern auch körperlich voneinander unterscheiden sollten und dass die Illustrationen teilweise doch sehr eintönig wirken, was aber, wie bereits erwähnt, dem Setting der Geschichte geschuldet ist.
Sound
Zuerst war ich sehr überrascht, wie leise End of Lines ist. Im Hauptmenü ist keine Musik zu hören und das gilt auch für einen Großteil des Spiels. Wenn der Score dann doch einmal eingesetzt wird, untermalt er die Situation sehr gut, auch wenn er mir definitiv nicht dauerhaft in Erinnerung bleiben wird.
Es muss eine bewusste Entscheidung gewesen sein, die Musik nur sparsam und als Vehikel für die Handlung einzusetzen, aber um wirklich erfolgreich zu sein, fehlt es hier einfach an Nachdruck. Eine gute musikalische Darbietung soll Emotionen erzeugen, aber hier habe ich beim Spielen kaum Emotionen gespürt, was sehr schade ist, da die Handlung an sich sehr emotional sein kann.
Was man stattdessen in End of Lines geboten bekommt, sind zahlreiche Soundeffekte, welche die jeweilige Atmosphäre passend unterstützen und von hoher Qualität sind. Sei es das Rauschen des Windes, das Knistern eines Lagerfeuers oder Gewehrschüsse, alles klingt gut. Leider stehen die Soundeffekte aufgrund fehlender Musik oft auf verlorenem Posten. Für sich allein haben sie traurigerweise nicht die Wirkung, die sie im Zusammenspiel mit einem guten Score haben könnten.
Leider kann End of Lines klanglich nicht überzeugen und verschenkt damit viel Potential.
Story
In End of Lines befinden wir uns in einer dystopischen Zukunft, in der die Klimaerwärmung bereits so weit fortgeschritten ist, dass ganze Landstriche unbewohnbar sind und Menschengruppen wie Nomaden durch die Gegens ziehen müssen, um Wasser, eine vorübergehende Bleibe oder Schutz vor den Gezeiten zu finden.
Natürlich wird uns im Laufe der Handlung gezeigt, zu welchen Untaten Menschen in solchen Extremsituationen fähig sind, aber auch die eine oder andere gute Tat wird uns vor Augen geführt und kann hier und da tatsächlich Emotionen wecken.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Handlung selbst zu bestimmen, so dass sie für jeden Spieler individuell und etwas anders aussehen kann. Allen Handlungssträngen gemeinsam ist jedoch, dass sie immer wieder von Rückblenden unterbrochen werden und sich der Spieler somit in einem ständigen Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit orientieren muss, was gerade zu Beginn der Geschichte verwirrend sein kann.
Grundsätzlich sind Rückblenden ein gutes Mittel, um Spannung aufzubauen oder für die Handlung relevante Hintergrundinformationen einzuführen, in End of Lines werden sie für meinen Geschmack jedoch etwas zu häufig eingesetzt, sodass ich bei meinem Durchlauf das Gefühl hatte, mich mehr in Rückblenden als in der Haupthandlung zu befinden.
Für die kurze Dauer der Geschichte gelingt es den Entwicklern jedoch sehr gut, die Hauptcharaktere zu etablieren, auch wenn einige Handlungspunkte eher wie ein klassischer Deus Ex Machina wirken und nicht wirklich erklärt werden.
Das Setting der Geschichte greift, wie bereits in der Einleitung erwähnt, den gesellschaftlichen Diskurs über den Klimawandel auf und stellt die möglichen Konsequenzen des Nichthandelns dar. Dies gelingt sehr gut, auch wenn ich mir eine etwas reflektiertere Perspektive gewünscht hätte. End of Lines hat eine klare Agenda und versucht diese an keiner Stelle zu verbergen, und die lautet: „Die Gesellschaft, in der wir derzeit leben, wird uns in den Ruin treiben und unvorstellbares Leid für Mensch und Natur erzeugen“.
Eine Botschaft, die durchaus im Trend liegt und unbestritten wichtig und wahrscheinlich auch richtig ist. Aber nur mit dem Finger zu zeigen, ohne Lösungen anzubieten, ist leider mindestens genauso populistisch wie die Behauptung, den menschengemachten Klimawandel gäbe es gar nicht. Nun mag man argumentieren, dass es gar nicht die Aufgabe eines Spiels ist, Lösungen für diese Probleme anzubieten, aber wenn man eine Geschichte mit einer klaren Agenda sein will, wie es End of Lines ist, dann kann man sich nicht auf seinem popkulturellen Status ausruhen. Und sei es nur, um das Zielpublikum zum Weiterdenken zu motivieren, hätte ich mir hier ein paar Lösungsansätze gewünscht.
Insgesamt konnte mich die Story von End of Lines nicht wirklich begeistern. Eine besondere Tiefe, die über pseudophilosophische und menschenfreundliche Allgemeinplätze hinausgeht, konnte ich hier jedoch nicht finden, was ich gerade von einem so politischen Spiel wie End of Lines erwartet hätte.
Gameplay
Wie für eine Visual Novel üblich, gibt es kein nennenswertes Gameplay. Man klickt sich mit der Maus oder der Tastatur durch die Dialoge und hat hier und da die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Fortschrittswegen zu wählen.
Zu Beginn des Spiels wird ein Moralsystem eingeführt, das die Handlungen der Spielfigur beeinflusst. Auch die Perspektive, aus der die Geschichte erzählt wird, ändert sich von Zeit zu Zeit, je nachdem, wie ihr euch in den präsentierten Situationen entscheidet.
Damit es nicht ganz so eintönig wird, hat End of Lines noch ein einfaches Ressourcenmanagementsystem, in dem ihr, sobald ihr ein Lager aufgeschlagen habt, Wasser sammeln müsst. Dazu wählt ihr einen oder mehrere Charaktere aus, schickt sie in die Umgebung eures Lagers und erhaltet in Zufallsereignissen eine entsprechende Menge Wasser. Allerdings sind die ausgesandten Charaktere nach der Suche so erschöpft, dass sie für eine Weile nicht richtig einsatzfähig sind und wir als Spieler schonend mit ihnen umgehen müssen.
Wie viel Wasser ihr braucht, hängt von der Größe eurer Gruppe ab. Während des Spiels habt ihr die Möglichkeit, eure Startgruppe durch eure Entscheidungen zu vergrößern oder zu verkleinern. Auch wenn das Spiel zu kurz ist, um wirklich von diesen Systemen zu profitieren, ist es zumindest ein Ansatz, der etwas frischen Wind in das Genre bringt.
Für eine Visual Novel spielt sich End of Lines recht ansprechend und versucht hier und da neue Wege zu gehen.
Fazit
Insgesamt kann ich End of Lines nur bedingt empfehlen. Wer Lust auf eine Dystopie mit Bezug zum aktuellen gesellschaftlichen Diskurs hat, kann sich den Titel von Nova-box HIER* zulegen. Wer jedoch eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Thema sucht, dem muss ich abraten.
Trotz der optisch Interessanten Gestaltung, bleibt das Spiel hinter seinen Möglichkeiten zurück. Gerade der karge Sound setzt den Sargnagel für diesen eigentlich gut durchdachten, und Gameplaytechnisch tiefgründigen Titel an. Ein Todesstoß, von dem sich auch die besten Titel nicht erholen können.
Wie hat euch End of Lines gefallen? Teilt es mir doch unten in den Kommentaren mit, falls ich mich in meiner Einschätzung getäuscht haben sollte. Wenn ihr eine Visual Novel sucht, aber End of Lines euch zu trist scheint, ist vielleicht Sunlight Scream etwas für euch.
Endergebnis
Zusammenfassung
Dystopiefans greifen zu, alle anderen suchen sich andere Freizeitunterhaltung.
Positives
Nette Gameplayelemente Behandelt eine wichtige Thematik Optisch spannendNegatives
Unreflektierte Perspektive Schwacher Sound Gewöhnungsbedürftige Steuerung- Grafik79%
- Sound42%
- Story63%
- Gameplay77%
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